Stellungnahme Teilfortschreibung LEP

Thüringer Ministerium für Infrastruktur
und Landwirtschaft
Referat Raumordnung und Landesplanung
Werner-Seelenbinder-Straße 8
99096 Erfurt


vorab per Mail: poststelle@tmil.thueringen.de

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(Musterstellungnahme zum Download als .odt-Datei)


Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms Thüringen
in den Abschnitten 1.1., 2.2., 2.3 sowie 5.2.
hier: Beteiligung im Zuge der Bekanntmachung der allgemeinen
Planungsabsichten im Sinne von § 9 Abs. 1 ROG
Ihr Zeichen: 51-8103/23-5-7238/2022


Sehr geehrte Damen und Herren,
im Rahmen der Bekanntmachung der allgemeinen Planungsabsichten zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms Thüringen möchte sich der Verein Selbstverwaltung für Thüringen e. V. wie folgt äußern:


Bereits im Landesentwicklungsbericht 2021 sind seitens des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft insgesamt vier Themenkomplexe mit besonderem Gewicht für fortschreibungsbedürftig erklärt worden. Die Themenkomplexe „Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land“ und die „Sicherung der Daseinsvorsorge“ sowie der „Hochwasserschutz“ sollen offenbar nicht Gegenstand der Teilfortschreibung sein.


Wir geben zu bedenken, daß insbesondere die Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land und die Sicherung der Daseinsvorsorge auch nach den erfolgten Gemeindeneugliederungen beachtet und gesichert werden
sollten.


Die einzelnen Bestandteile des Landesentwicklungsprogramms greifen ineinander und sind nach unserer Auffassung als gleichwertig gegeneinander abzuwägen. Die Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse und die Sicherung der Daseinsvorsorge ist nach unserer Auffassung, insbesondere nach den bereits erfolgten Gemeindeneugliederungen und nach den zukünftig ins Auge gefassten Zusammenschlüssen, nicht auszuklammern.


Das Vorschaltgesetz zur Gemeindeneugliederung in Thüringen wurde mit Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 09.06.2017 für unwirksam erklärt. Die Landesregierung forciert jedoch nach wie vor Zusammenschlüsse, auch wenn dies nicht mehr auf der Grundlage von Zwangszusammenschlüssen erfolgen soll.


Nach der offenbar bestehenden Vorstellung des Ministeriums sollen Neugliederungen von Gemeinden mit einer Mindesteinwohnergrenze von 6.000 Einwohnern, bezogen auf die Bevölkerungsvorausberechnung 2035, angestrebt werden. Neugliederungen dieser Art sollen offenbar mit Aussicht auf die Anerkennung als Grundzentrum befördert werden. In diesem Zusammenhang ist beachtlich, daß nach den bisherigen Zielen des LEP 2025 zentrale Orte mit bestimmten Funktionen versehen sein sollen, die den umliegenden Orten, die diese
Funktionen nicht erfüllen, nicht (mehr) zukommen sollen. Die dort gewachsenen bestehenden Strukturen sollten nach wie vor beachtet werden und auf Dauer Bestand haben.


Weiterhin ist zu bedenken, daß die Zentrumsfunktion nicht – quasi auf Knopfdruck – ausgefüllt werden kann. Es ist zudem beachtlich, daß insbesondere im ländlichen Bereich flächenmäßig große Gemeinden gebildet werden müssen, um diese Einwohnermindestgröße zu erzielen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß das Zentrale-Orte-System, welches ursprünglich eine Idealverteilung zugrunde legte, sich insbesondere auf die Verhältnisse des ländlichen Raums nicht vollumfänglich übertragen lässt.


Insbesondere in den Fällen, in denen sich Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von ca. 6.000 Einwohnern auf eine große Fläche erstrecken, müssen dezentrale Strukturen beibehalten werden. Zu dem Faktor „Einwohnerzahl“ muss daher bei der Konkretisierung der Funktionen der zentralen Orte auch die „Fläche“ hinzutreten. Die Einwohnerzahl ist für eine effiziente Verwaltung nur eine Richtgröße. Verwaltungen werden weitere Geschäftsstellen benötigen, um erreichbar zu bleiben, auch wenn im ländlichen Bereich die Einwohner an das Erfordernis der Mobilität gewöhnt sind.


Dezentrale Versorgungsbereiche sollten daher beibehalten werden.

2. Im Fokus der Fortschreibung des Punktes 5.2. Energie steht ausschließlich die Windenergie. In diesem Zusammenhang erscheint uns beachtlich, daß in Thüringen auf Grund der vorhandenen landwirtschaftlichen und topografischen Verhältnisse somit erheblich größere Beeinträchtigungen der Landschaft aber auch der Ortslagen zu erwarten ist, als dies in den nördlicheren Bundesländern der Fall ist. Dies bedeutet nicht, den Ausbau der Windenergie einzustellen. Es bedeutet aber, daß das Augenmerk gleichermaßen auf den Ausbau der Photovoltaik und gegebenenfalls die Solarthermie gerichtet werden sollte. Der im Hinblick auf die Elektromobilität und die Preisentwicklung der fossilen Brennstoffe zu erwartende Energiebedarf macht neben der Windkraft auch die Entwicklung weiterer regenerativer Energien notwendig. Die globalen Entwicklungen seit dem 24.02.2022 machen überaus deutlich, daß Anstrengungen darüber hinaus auch in Energieformen gelenkt werden müssen, die insgesamt mit den erneuerbaren Energien eine grundlastfähige Energie bewirken können.


Der ländliche Raum wird derzeit von Nachfragen im Hinblick auf Freiflächen für die Errichtung von Photovoltaikanlagen geradezu überflutet. Es werden darüber hinaus zunehmend Solarmodule entwickelt, die die Gewinnung von Solarstrom nicht auf großflächige Anlagen mit Solarpanelen beschränken, sondern auch kleinteilig an Fassaden, Mauern und weiteren Flächen montiert werden können, die nicht begangen oder befahren werden müssen. Steuerliche Begünstigungen und insbesondere angemessene Einspeisevergütungen wird die Akzeptanz der Bevölkerung für die Einrichtung solcher Energieträger auch auf eigenem Grund und Boden oder an den eigenen Gebäuden deutlich erhöhen.


Aus unserer Sicht ist kurz- und mittelfristig eine erheblich höhere Akzeptanz im Hinblick auf die Schaffung solarenergetischer Strukturen zu erwarten, als dies im Hinblick auf die Ausweitung der Windkraft jemals der Fall war.

3. Das Landesplanungsgesetz beschreibt in § 1 Abs. 3 die Leitvorstellungen der Thüringer Landesplanung. Dazu zählen neben der Thüringer Kulturlandschaft in ihrer Vielgestaltigkeit von Siedlung und Freiraum vor allem der ländliche Raum. Die Landesplanung soll den Rahmen der Stabilisierung und Entwicklung der polyzentrischen und vielfältigen Siedlungsstruktur bilden. Dem widerspricht der bei der Landesregierung offenbar nach wie vor gegebene strikte Wille zur Zentralisierung. So soll offenbar die Einheitsgemeinde Vorrang vor der Landgemeinde und insbesondere der Verwaltungsgemeinschaft haben. Eine
schlüssige Begründung fehlt bereits seit der ersten Bekanntgabe dieses Leitbildes.


Wir sind der Auffassung, daß insbesondere die Verwaltungsgemeinschaft als Modell der kommunalen Gebietskörperschaft und Zusammenarbeit ihre Daseinsberechtigung bewiesen hat und einen festen Platz in der Raumordnung behalten sollte.

Verein Selbstverwaltung für Thüringen / Fortschreibung LEP

Liebe Mitstreiter des Vereins,  

mit Schreiben vom 21.01.2022 wurden alle Städte und Gemeinden über die allgemeinen Planungsabsichten der Landesregierung zur beabsichtigten Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogrammes informiert.

Der Verein hat sich intensiv mit dieser Thematik beschäftigt und eine Stellungnahme erarbeitet, die wir Ihnen hiermit zur Kenntnis geben möchten.  

Wir stellen diese Stellungnahme allen Interessierten auch zum Download als PDF-Datei auf unserer Internetseite zur Verfügung.

Es wäre für alle hilfreich, wenn das große Interesse an dieser Thematik auch an einer Vielzahl von Stellungnahmen sichtbar wird.  

Mit freundlichen Grüßen  

Der Vorstand